Es ist ein Versprechen: You will never walk alone! Die gelebte Wirklichkeit in vielen Unternehmen und Mitarbeitergesprächen drehte sich jedoch oft um die Frage, wie jede einzelne Person jeden Tag (oder wenigstens jedes Jahr) noch besser werden kann. Der Fokus der Personalentwicklung war und ist stark auf die Optimierung von Einzelpersonen gerichtet. Ganz nach dem Motto: Wenn alle etwas besser werden, dann wird das Team besser. Stimmt ja auch.
Zwei Fragen bleiben offen:
1. Das überforderte Ich
Von Hollywood über das Silicon Valley bis zur Ratgeberliteratur ist der Fokus stark auf die einzelne Person gerichtet. Das ist nicht grundsätzlich falsch, führt aber in seiner Einseitigkeit zu einem Optimierungs- und Leistungsdruck auf Einzelpersonen, der auch überdrehen kann. Es ist nie genug, es geht immer noch ein tieferes Fachwissen, ein strukturierteres Selbstmanagement, eine gesteigerte Performance ... Sicher brachte dieser Trend echte Heldinnen und Helden hervor. Doch aus diesem Trend ergaben sich auch Burnout, psychische Zusammenbrüche, gescheiterte Partnerschaften oder, in seiner sanfteren Form, eine bunte Vielfalt von Aussteigertum.
In den vergangenen Jahren hat sich dieser Druck sogar noch gesteigert: Nach „Command and Control“ kam die „transformationale Verinnerlichung“ des Leistungsstrebens. Tatsächlich hat die Orientierung an individuellem Wirksamkeitserleben, persönlicher Sinnstiftung und echtem Spaß an der Arbeit für viele Menschen ein erfülltes Leben hervorgebracht. Auch ich bin ein Kind dieser Freiheit. Schwierig wird es, wenn der Anspruch einseitig an der Einzelperson hängen bleibt.
Aktuell wird diese Idee durch immer differenziertere Persönlichkeitstests und KI-gestützte Kompetenzanalysen weiter vorangetrieben. Diese Tools werden genutzt, um individuell zugeschnittene Online-Seminare, Selbstlernkurse und Weiterbildungspläne zu generieren. Natürlich liegt in der individuellen Weiterentwicklung ein bedeutsames Potenzial für die Personalentwicklung und Mitarbeiterzufriedenheit. Was jedoch zu wenig Gewicht hat, ist die Ergänzung dieser Anstrengungen durch eine konsequente Entwicklung von Zusammenarbeit und Teamspirit.
2. Das vernachlässigte Team
Die hier beschriebenen Phänomene sind längst bekannt. Coaching, Training und Psychotherapie bieten uns qualifizierte Antworten darauf. Auffällig ist jedoch, dass auch hier die Schieflage bei „individuellen Hilfestellungen“ liegt. Es scheint oft eher darum zu gehen, „das überforderte Ich“ individuell zu stützen, anstatt es zu entlasten. Es ist die Bekämpfung der individualisierten Optimierungsfalle durch individuelle Optimierung. Gewiss nicht immer und einseitig, aber doch zu oft lautet die Botschaft: „Wenn du am Leistungsanspruch scheiterst, unterstützen wir dich ganz persönlich, besser zu werden!“
Dabei kann auch ein Perspektivwechsel helfen: Auch der Terminator hat ein Backoffice. Steve Jobs hat Apple nicht allein zu einem Imperium gemacht. Und kein Mensch findet sein Glück im einsamen Glanz. Wenn wir ehrlich sind, leben wir alle von einem „Team“ um uns herum, und daran ist nichts falsch. Es ist nicht nur eine zutiefst menschliche Wahrheit, sondern auch eine Quelle von echtem Glück und tiefer Zufriedenheit.
Damit dies in den Alltag kommt, braucht es genauso viel Innovationskraft und Vielfalt wie bei der Unterstützung der individuellen Entwicklung. Das Ergebnis muss mehr sein als eine jährliche Teambuilding-Maßnahme. Ein Team entsteht nicht an einem Tag oder in einer Woche. Ein Team entsteht im Alltag – in der täglichen Zusammenarbeit, in der wechselseitigen Ergänzung, im Ringen um die beste Lösung, im Kampf um individuelle Anerkennung durch die anderen, im gemeinsamen Erfolg und im Moment des Scheiterns, im Spaß und im Streit. Genau hier braucht es Unterstützung – durch teambewusste Führungskräfte, aber auch durch moderne und vielfältige Gelegenheiten zur gemeinschaftlichen Entwicklung.
Und ist das Ergebnis nicht wunderbar? Ich kann meine Qualitäten einbringen, ohne selbst in allen Dimensionen optimiert zu sein. Das Unternehmensergebnis stimmt auch, weil Kolleginnen und Kollegen meine Schwächen im Selbstmanagement ausgleichen. Und ich? Ich kann am Abend genussvoll einen Roman lesen und die Ratgeberliteratur auch mal zur Seite legen.
Die Antworten sind schon da:
Derzeit ist einiges los im Bereich der neuen Lernformate. Die Entdeckungen der Hirnforschung und Lernpsychologie haben in den vergangenen Jahren viele wertvolle Hinweise hervorgebracht. Wir wissen heute besser, wie Lernen für alle Altersklassen und Teamkonstellationen gut gelingen kann. Hinzu kommt, dass vernetzte Technologien die Dezentralisierung von Lernprozessen unterstützen. Nicht zuletzt werden auch im Management die gewachsenen Kompetenzen in der Belegschaft deutlicher wahrgenommen und abgerufen.
Vor diesem Hintergrund werden Lernprozesse zunehmend alltagsbegleitend und in kleinen Portionen aufgesetzt. Zum Beispiel geben Führungskräfte oder digitale Begleiter kleine Lernaufgaben an die Teams. Fachkräfte erstellen selbst kleine Videotutorials, um ihr Wissen im Team zu teilen.
Oder ein Team geht entlang eines ausformulierten Guides, alltagsbegleitend und in kleinen Gruppen auf eine selbstorganisierte „Lernreise“. In diesen „Learning-Circles“ verarbeiten sie jede Woche kleine Impulse und Aufgaben. Damit entwickeln sie ihre alltägliche Kommunikation und Zusammenarbeit. Nach nur 12 Wochen heißt es dann wirklich: You will never walk alone!
Diese und weitere Reflexionen treiben mich und das Team der Lernwelt Designstudios an. Sie sind der Ausgangspunkt für die aktuellen Peer-Learnings.
Jetzt neu am Start: Lernreise Teamwork (ab Januar kostenfrei als Pilotunternehmen
).
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